Eine fliegerische Zeitreise


Segelfliegen ist unbestritten zu einem High-Tech-Sport geworden. Und allzu oft machen gerade
jüngere Fliegerkameraden dieses gewisse Opa-erzählt-wieder-vom-Krieg-Gesicht, wenn sich die
Generation 60+ an ihre (segelfliegerischen) Jugendtage erinnert. Aber plötzlich sieht man sich
unverhofft in diese „gute alte“ Zeit versetzt. 

Viele mögen sich noch an den Osterlehrgang 2017 erinnern, als Piotr, der segelfliegende Pole aus
Schweden bei uns als Gastfluglehrer tätig war. Da wir, Britta, Jonathan, Magdalena und ich planten,
unseren Sommerurlaub in Schweden zu verbringen, hatten wir irgendwann auch die Idee, Piotr auf
seinem Heimatflugplatz in Falköping zu besuchen. Nicht ohne den Hintergedanken, doch auch mal in
Schweden zu fliegen.

In Schweden waren wir. Piotr haben wir nicht getroffen, der war im Urlaub. Aber dafür haben wir
etwas anderes kennengelernt: Die schwedische Wasserkuppe.

So nennt man in Schweden das Gebiet um das Ålleberg Flygmuseum. Und in der Tat, auf dem
markanten Berg zwischen den beiden großen schwedischen Seen Vänern und Vättern, befindet sich
ein wahres Kleinod der Segelfluggeschichte. Auf der Suche nach Piotr gerieten wir in DAS
schwedische Segelflugmuseum. In einer alten Flugzeughalle standen auf engem Raum
Schmuckstücke an historischen Segelflugzeugen. Ein freundlicher älterer Herr, pensionierter Lehrer
für englische und schwedische Literatur, führte uns durch die Ausstellung.

Besonders angetan hatte es mir eine Slingsby T21, ein offener Doppelsitzer aus Großbritannien,
dessen Prototyp wohl schon in den 40ern des letzten Jahrhunderts flog.

Schatzkammer oder Abstellraum?

Der Museumsführer versicherte uns, das Gerät wäre flugfähig. Bei Interesse sollten wir doch mal
beim Fliegerclub, der sich direkt neben dem Museum befindet, fragen. Gesagt, getan – wir sind gleich
rüber gelaufen. Na ja, das heißt nicht gleich. Auf dem Gelände gibt es noch ein herrliches Restaurant,

direkt an der Hangkante, von wo aus man die auch dort ansässigen Drachen- und Gleitschirmflieger
bei ihren mehr oder weniger eleganten Flugversuchen beobachten konnte…

Seltsame Vögel

Aber irgendwann standen wir vor den Vereinsgebäuden. Alles sehr gepflegt, sehr ordentlich… und
sehr leer. Offenbar keiner zu Hause. Wir sind erstmal um die Halle geschlichen. Dort ist nichts
abgesperrt. Tatsächlich, da war doch noch jemand. Ein freundlicher Mensch auf einem Fahrrad, der
offensichtlich etwas in Eile war, erklärte uns, dass in zwei Tagen die Fliegerei beginnen solle und wir
dann noch einmal wiederkommen mögen. Also dann, noch zwei Tage Geduld.

Nach zwei Tagen waren wir wieder da. Und tatsächlich stand die Slingsby am Start. Geschleppt
werden sollte mit einer Piper Super Cup. Zwei ältere Herren machten sich schon daran zu schaffen,
im Begriff, das Ding tatsächlich zu benutzen. Also fragten wir, ob wir nicht auch einmal…. Zunächst
etwas ratlose Gesichter. Es war wohl nur der eine Flug geplant. Sollte die Anreise umsonst gewesen
sein? Ein Telefonat auf Schwedisch, dann die Erklärung, auf Englisch, dass gegen eins wohl noch ein
Instrukteur verfügbar wäre. Ob wir uns bis dahin noch gedulden könnten? Es war zehn. Na klar,
konnten wir. Es gäbe da in der Nähe wohl auch sehr schönes Restaurant, wo man Drachenflieger
beobachten könne. Aha…

Gegen eins waren wir dann wieder da. Und tatsächlich, ein jüngerer Mann stellte sich als Anders vor
und sagte, er wäre unser Pilot. Nun denn…. Es ging an die Einweisung. Die Slingsby ist doch alles in
allem ein sehr übersichtliches Fluggerät. Höhenmesser, Fahrtmesser, Vario… das war’s. Funkgerät?
Fehlanzeige! Wer braucht so etwas? Gab’s früher schließlich auch nicht. Dafür eine zünftige
Lederbadekappe nebst passender Brille.

Skeptischer Blick ins übersichtliche Cockpit

Anders erklärte noch, dass es direkt beim Start etwas schwer gänge aber dann flöge der Vogel wohl
recht manierlich. Nun ja…. Los ging es!

Schicksalsergeben…

Dann hebt er ab….

Beim Anrollen und beim Abheben war Anders noch mit in den Rudern aber dann lehnte er sich
zurück und ließ mich machen. Und was soll ich sagen? Soooo viel schwerer als beim Bocian war es
am Ende doch nicht. Einfach dem Schleppflugzeug hinterher fliegen und den Horizont halten. Das ist
alles. Und auch die Piper machte ihren Job. Nur unterhalten konnte man sich während des Schlepps
nicht. Dazu war es zu laut. Dafür bot sich uns ein atemberaubender Blick.

Elchland von oben

Die Geschwindigkeit beim Kreisen betrug wahnsinnige 55 km/h. Gutes Steigen, nicht zerrissen, ideal.
Und so flogen wir dahin wie zu Großvaters Zeiten.

Brille: Fielmann

Offen fliegen ist ja sowieso ein Erlebnis, aber in einem solchen Oldtimer hat es einen besonderen
Touch. Und wider Erwartens konnte man sich nach dem Auskuppeln trotz des Fahrtwindes ganz gut
verständigen.

Irgendwann nach ca. 45 min kamen wir dann wieder zur Landung. Schließlich wollten Britta und
Jonathan auch noch fliegen.

Gliding home

Die 2017er Hutmode hat wirklich Stil

Auch Brittas Grinsen war nach dem Flug noch breiter als vorher. Sie konnte meine Flugzeit sogar
noch überbieten und war eine Stunde mit dem „Drachen“ unterwegs. Wir können jedem, dem sich
eine derartige Gelegenheit bietet, nur empfehlen, sie auch zu nutzen. Sicher geht es heute schneller,
höher und weiter. Aber zu erfahren, wie man vor Jahrzehnten flog, ist schon etwas Eigenes.

Nur, die jungen Leute…. Die haben wohl ihren eigenen Kopf. Jonathan lehnte es schließlich doch ab,
mit dieser Kiste zu fliegen. Zur Auswahl stand nämlich noch eine ASK-21. Zwar nicht in Ålleberg,
sondern direkt in Falköping, auf Piotrs eigentlichen Flugplatz, ca. 5 km entfernt. Netter Fliegerclub
mit freundlichen Leuten. Er kam ebenfalls mit einer knappen Stunde Flugzeit noch auf seine Kosten.

Die Jugend hat halt andere Interessen

Alles in allem ein gelungener Tag, mit neuen fliegerischen Erfahrungen und der Bekanntschaft mit
schwedischen Segelfliegern.

Ach ja… und eine coole Winde haben die dort auch. Volvo, sag ich nur!

Besteht jeden Elchtest

Michael Drechsler