Höhenrekord ab Kamenz


In der Welle von Kamenz über das Riesengebirge ins Altvatergebirge und zurück

Das Ende der Thermiksaison läutet immer den Beginn einer ganz besonderen Saison in der Segelfliegerei ein. Die Wellenflugsaison beginnt in der Regel Ende September, Anfang Oktober, wenn lange Thermikflüge nicht mehr möglich sind und die Luftmassen stabiler werden. Dann heißt es warten auf den Wind aus der bevorzugten Richtung. In unserem Fall haben wir auf starken Südwest Wind gewartet. Dieser erzeugt im Riesengebirge, Eulengebirge und Altvatergebirge in der Regel großartige Wellen, die für uns ausfliegbar sind. Seit Jahren fahren wir nach Krnov, um möglichst einfach in die entstehenden Wellensysteme einzusteigen. Doch Covid-19 macht auch hier nicht halt. So mussten wir uns Alternativen suchen, und wir haben sie gefunden.

Letztes Jahr flog ich erfolgreich ab Görlitz, an der polnischen Grenze, Welle. Görlitz stellte sich als hervorragender Ausgangspunkt für Wellenflüge ab dem Riesengebirge heraus. So planten wir es dieses Jahr wieder. Eine Einfahrt in das Risikogebiet Tschechien ist also nicht nötig.

Vergangene Woche standen dann alle Zeichen auf Südwest Wind. Carolin und ich hatten vor rund zwei Wochen bereits einen DuoDiscus aus Caros Verein extra aus Bremen in den Osten überführt, um eine potenzielle Südwest Wetterlage gemeinsam nutzen zu können.

Aufgrund der Erfahrung des letzten Jahres wählten wir wieder Görlitz als Startort aus. Dieses Jahr gab es jedoch die Besonderheit, dass Max mit der Dimona das gesamte Wochenende als Schlepper zur Verfügung stand und uns von Görlitz schleppen konnte. Womit ich ehrlich gesagt nicht gerechnet hatte ist, dass wir in Görlitz nicht rauskamen. Der Platz war zu weich, der Duo wohl zu schwer und die Dimona zu schwach, wie der Wind an diesem Tag auch. Caro, Max und ich entschlossen uns kein Risiko einzugehen und brachen den Versuch ab. Nach langen Überlegungen entschlossen wir uns, den mäßig vorhergesagten Sonntag zu nutzen, aber von Kamenz aus. Das fanden wir erstmal verrückt, da der F-Schlepp knappe 100 Kilometer lang werden würde. Der Wille und die Begeisterung für das Wellenfliegen trieben uns jedoch an und so standen wir Sonntag mit straffem Seil hinter der Dimona in Kamenz auf der Betonpiste.

Mit großer Vorfreude auf den Flug startete der Schleppzug in Richtung Riesengebirge. Caros erster Wellenflug stand ihr nun unmittelbar bevor.

Allein der Schlepp war ein Erlebnis für sich. Es gab kaum Wolken, somit eine hervorragende Aussicht und viele wärmende Sonnenstrahlen. Nach rund 45 Minuten kuppelten wir in der Primärwelle des Riesengebirges aus. Mit schwachem Steigen konnten wir uns tagsüber bis an den Luftraumdeckel in 6700 Meter hochkämpfen und eine atemberaubende Sicht genießen.

Die Zeit verging dabei schnell und wir machten uns Gedanken über den Heimweg. Dabei war ich total auf eine Landung in Görlitz fixiert. Carolin schlug jedoch vor, dass wir es probieren sollten nach Kamenz zu fliegen, und im Zweifelsfall in Bautzen zu landen. Diese Idee fand ich natürlich klasse und so traten wir unseren Heimweg in Richtung Kamenz an. Dieser gestaltete sich als sehr entspannt und unkompliziert. Wir flogen einige Lentis und Rotoren ab, welche sich von Frydland bis in die Bautzener Berge zogen.

Dadurch konnten wir unseren Gleitpfad erfolgreich strecken und mit einem dicken Plus in Kamenz ankommen. Das war der erste große Wellenflug ab Kamenz, mit Landung in Kamenz! Nach der Landung wurde uns erst bewusst, dass wir etwas ganz Neues und durchaus Verrücktes geschafft hatten.

Das war der Grundstein für den vergangenen Dienstag. Mein Bruder Max rief uns Montagnachmittag an und empfahl uns am Dienstag fliegen zu gehen. Caro und ich studierten also genaustens das Wetter und kamen zu dem Entschluss, dass wir fliegen gehen sollten, solange wir noch Zugriff auf den Duo Discus haben. Andreas erklärte sich bereit uns zu schleppen und Max Fuchs half uns bei der Startvorbereitung. Im Gegensatz zum Sonntag versprach die Vorhersage für den Dienstag optimales Wellenstreckenflugwetter bis in das Altvatergebirge. Was ebenso anders werden sollte war der Bedeckungsgrad. Die Staubewölkung sollte sich sehr dicht und leicht abregnend von Süden her in das Fluggebiet reindrücken.

Mit voller Motivation starteten wir den Versuch und hoben 9:30 Uhr lokal in Kamenz ab. Der Wind war sehr kräftig und kam aus dem Südwesten, gute Bedingungen also. Doch schon beim Start sahen wir die ersten Schauer südlich Bautzen. Der Flugweg nach Frydland war dicht und die Sicht nach Görlitz schlecht. So entschieden wir uns über die Wolken zu gehen und zu schauen, ob wir von oben in eine Föhnlücke einfliegen können. Und tatsächlich, kurz vor der Entscheidung mit dem gesamten Schleppzug umzudrehen, tat sich vor uns eine kleine Lücke auf. Wir kuppelten, wünschten Andreas einen guten Heimflug, und traten in eine völlig irre Welt ein. Als ob es ein Tor zur anderen Welt gewesen wäre, erwartete uns auf der anderen Seite der kleinen Lücke eine wahnsinnige Aussicht. Lentis (Wellenwolken) über Lentis zeichneten uns die vorhergesagten Wellen. Unsere Ausgangsposition nach dem Schlepp ließ vorerst lediglich den Einstieg in die Sekundärwelle des Riesengebirges zu. Diese ging recht schwach und brachte Steigen bis zu einem Meter. Da die Lenti der Primätwelle so mächtig und hoch war, dass wir kaum daran vorbei in die erste Welle fliegen konnten, mussten wir warten, bis auch da eine Lücke entstand. Als dies geschah sprangen wir gegen den Wind in die Primärwelle. Caro lenkte den Duo Discus zielsicher in das beste Steigen. Teilweise mit 5 Meter pro Sekunde stiegen wir an dem wundervollen Lenti in die Höhe. Schnell kamen wir am Luftraumdeckel in 6700 über dem Meeresspiegel an. Wahnsinn! Nun war klar, auch angesichts der Optik in den Südosten, dass wir über das Eulengebirge in das Altvatergebirge springen müssen. Es sah einfach zu verlockend aus. Im Altvatergebirge darf man bis auf FL245 steigen. Dies ließ die Option offen unseren Höhenrekord aus Kamenz vom vorherigen Flug zu toppen. Entlang der tollen Lentibänke mit Regenbögen flogen wir nun ins Altvater. Spielend leicht und mit stets guten Linien genossen wir den Hinflug. Leider war die Wolkendecke unter uns so dicht, dass Caro kaum etwas von der Landschaft erkennen konnte. So genossen wir den Anblick der Lentis umso mehr und Caro konnte sich auf das Fliegen konzentrieren. Ich habe von hinten navigiert und mit dem neuen Wettertool im Oudie2 gespielt. Es ist der Wahnsinn, wie weit unsere Technik gekommen ist. Da rechnet Skysight die Wellenvorhersage aus, man schließt das Oudie (Navi) an den PC an und bekommt die genaue Wellenposition je nach Tageszeit und Höhe auf dem Navi angezeigt. Einfach grandios! Im Altvater angekommen brachte uns die dortige Welle auf 7100 Meter über dem Meeresspiegel. Das ist damit der höchste Flug, der jemals ab Kamenz in einem Segelflieger stattgefunden hat.

Überglücklich genossen wir dieses Geschenk, als Paar gemeinsam ein solches Erlebnis haben zu dürfen. Da die Welle so gut vom Riesengebirge ins Altvater stand, flogen wir den Weg gleich zweimal ab, was auch nicht alle Tage möglich ist. Was uns den Tag über aber auch beschäftigte, war der Heimweg. Die Bewölkung in Richtung Kamenz war sehr dicht und für uns schlecht einschätzbar. So baten wir in unserer Wellengruppe um Unterstützung mittels Sattelitenbildern. Diese und sogar Webcambilder zeigten uns, dass ein Heimweg möglich ist. So nahmen wir uns in jedem Luftraum die Zeit, um mit maximal zulässiger Höhe in den nächsten Luftraum einzufliegen. Sprich wir verflogen unsere Höhe nicht sinnlos und bauten auf Sicherheit. Ab der deutschen Grenze war klar, dass ein direkter Heimweg nicht möglich ist, da uns eine mittelhohe Wolkendecke den Weg versperrte. Der Umweg in Richtung Klix stellte sich jedoch als gut heraus, da wir eine Art Welle der Oberlausitz nutzen konnten, um unseren Gleitpfad zu strecken. Der starke Südwestwind machte uns dabei sehr langsam, weshalb wir etwas auf den Sonnenuntergang achten mussten. Schlussendlich kamen wir wieder mit einem dicken Plus in Kamenz an und landeten sicher nach 707 Segelflugkilometern, 7100 Meter Höhe und 8:30h Gesamtflugzeit. Dies war somit der zweite, längste und höchste Wellenflug ab Kamenz. Für die Zukunft bedeutet das schlussendlich, dass Kamenz immer eine Option zum Wellenfliegen im Riesengebirge ist.

Die Flüge im OLC.

Florian Heilmann